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Clubhouse - von offenen Räumen und geschlossenen Gesellschaften*

*der Autor möchte darauf aufmerksam machen, dass die folgenden Zeilen sehr subjektiv geschrieben und in einen politischen Kontext gesetzt wurden, von Sarkasmus kaum zu übertreffen sind, wünscht aber dennoch eine anregende Lektüre.

Als wäre die Vielzahl der Möglichkeiten, seine ach so kostbare Zeit in Social Media zu investieren nicht ohnehin schon schier unendlich, drängt sich seit geraumer Zeit ein neuer Spieler auf den Markt:


Clubhouse.

Clubhouse - klingt schon irgendwie speziell. Zumindest stelle ich mir, wenn ich mir ein „Clubhouse" vorstelle, eine prächtig einladende Lobby mit unzähligen Ralph-Lauren-Cappies tragenden Golfspielern vor. Glücklicherweise repräsentiert meine blühende Phantasie nicht immer etwaige Parallelen zur Realität und insbesondere nicht, was Clubhouse angeht. Aber genug herumschwaliert: Was ist das denn jetzt genau, dieses Clubhouse?


Clubhouse etabliert sich auf dem Social-Media-Markt als Newcomer, mit einer speziellen Idee: Zusammentreffen, Austausch und der Dialog unterschiedlicher Menschen, zu unterschiedlichen Themen und das nur per Ton! Naja, und auch nur mit iPhone. Und auch nur mit Einladung. Vielleicht ja bald auch nur mit Ralph-Lauren-Cap?

iPhone? Check! Cappie? Check! Einladung? Kann losgehen.

Wollen wir es mal nicht hoffen. Sollte man also alle drei Hürden übersprungen haben, gilt: ab ins digitale Getümmel! Die Zahl der Räume und Themen, an denen man teilhaben kann, ist so divers und vielseitig wie die Gespräche mit Kollegen zwischen Kaffeeküche und nächstem Personalgespräch und bewegen sich auch inhaltlich zwischen Oberflächlichkeit und tiefem Ernst.


Nur zuhören also? Da begnüg ich mich doch lieber mit meinem morgendlichen Deutschland-Funk oder einem Podcast, wenn ich joggen gehe, mag sich da manch einer denken. Doch Clubhouse ist nicht nur zuhören. Kurzes Handzeichen, eine gnädige Moderation und schon wird man „auf die Bühne“ geholt und tummelt sich zwischen mal mehr, mal weniger bekannten Speakern in der vordersten Reihe.


Gummibärchen
Bei Clubhouse ist für jeden Geschmack was dabei und die Begegnungen manchmal außergewöhnlich!

Ganz nettes Gefühl eigentlich – ein kurzes Pläuschchen mit Thomas Gottschalk und eine Stunde später Saskia Esken löchern, wie man denn die AfD im Zaun halten könne. Besonders wenn man bedenkt, dass einem da tatsächlich teilweise bis zu fünftausend Menschen zuhören. Genau das wird sich auch der eine oder die andere Politiker*in denken - besonders im Wahljahr. Denn die Distanz zwischen Wählerschaft und Politik wird durch dieses sehr interaktive und sehr persönliche Format drastisch verringert: Das Sie wird zum Du. Der persönliche Diskurs ist hier Herausforderung und Chance zugleich - für beide Seiten!


Nicht nur die Politikschaffenden können hier ihre Meinung platzieren und um Stimmen buhlen, sondern auch alle anderen aus der Berliner Politik-Blase können hier ordentlich an ihrem Netzwerk schrauben. Doch die Krux liegt wieder in der anfänglichen Kritik: Menschen, die auf Einladung ihre Zeit auf Clubhouse verbringen, ihre iPhones bedienen und sich aktiv über Politik unterhalten, sind das nicht gerade die falschen Adressaten?

Ganz abgesehen vom finanziellen Aspekt und dem gesellschaftlichen Stand – wenn man es so konservativ ausdrücken mag – sind das auf Clubhouse doch eben die Leute, die bereits eine Meinung haben. Die Leute, die ihre Stimme bereits fest für eine Partei eingeplant haben. Die Leute, die auch in ihrem Umfeld eher mit dem Personenkreis verkehren, die politisch schon fest verankert sind. Inwiefern dies von unseren, teilweise festgefahrenen politischen Strukturen zeugt, sollte aber doch lieber an anderer Stelle bewertet werden.


Vergessen werden darf in dieser sehr speziellen Exklusivität dann aber doch nicht die Inklusion! Dabei geht es bei dieser Art Inklusion nicht nur um die gern geführte Debatte, das gehörlose Menschen keinen Mehrwert an Clubhouse haben. Sondern es geht besonders auch um all die Menschen, denen, besonders in einer Zeit wie dieser, geprägt von Lockdown, Isolation, fehlenden sozialen Kontakten, trister Trostlosigkeit und dem Gefühl der Einsamkeit, genau das wieder gegeben werden könnte. Und davon sprechen die Menschen auf Clubhouse auch!


Klar ist, dass dieser Hype, möge er bestehen bleiben oder nicht, unter anderem aus dieser aktuellen sozialen Struktur hervorgeht. Wenn wir doch schon die Möglichkeit hätten, allen den Zugang bieten zu können und für uns individuell merken, dass es einem gut tut, warum verwehren wir diese Möglichkeit dann einer Vielzahl von Menschen aufgrund marginaler Exklusivitätseigenschaften wie einem iPhone und einer notwendigen Einladung?

Aber noch nicht genug Kritik. Zwei Punkte gibt’s da noch: die vermeintlichen Experten und exzessives Netzwerken. Zugegeben, das gibt es überall. Vermehrt aber nunmal auf Clubhouse (liegt ja vielleicht auch an der gewissen Exklusivität, die einem durch die Einladung gegeben wird, oder?). Wie legitim es ist, sich selbst als Experte zu bezeichnen und das auch noch in einem digitalen Umfeld, sei mal dahingestellt.


Gewiss ist jeder in einzelnen thematischen Feldern besonders bewandert, die Einstufung als Experte zu einem Thema sollte dann aber doch neutral von außen erfolgen. Naja, auf Clubhouse kann man sich nicht nur seine Meinung über und durch vermeintliche Experten bilden, sondern sich bestenfalls noch mit allen vernetzen! Dafür ist diese App nunmal auch da, fürs Netzwerken. Keine Frage, Netzwerken ist das A&O!


Und um im Alphabet zu bleiben: Vitamin B ist unverzichtbar. Aus diesem Grund finden sich in letzter Zeit auch immer häufiger „Stille Räume“. Räume, in denen kein Wort gesprochen wird. Darin tummeln sich zeitweise bis zu 70 Personen, natürlich unterwandert von vermeintlichen Experten, um sich gegenseitig auf LinkedIn hinzuzufügen und möglicherweise, eines Tages mal, ins Gespräch zu kommen. Wie viel diese Räume dann doch zur eigentlichen Idee der auditiven Wahrnehmung und des verbalen Austausches beitragen, bleibt fraglich. Seien wir mal ehrlich: Im echten Leben stellen wir uns ja auch nicht mit Namensschild und Kurzbeschreibung nebeneinander in einen Raum, wechseln kein Wort miteinander, aber stecken uns Visitenkarten zu.


Leerer Raum
Einfach mal die Klappe halten. Sogar stille Räume gibt's bei Clubhouse.

Abgesehen von all der genannten Kritik: Das Konzept verdient eine 1+. Die Kombination aus informativen auditiven Inhalten à la Podcast und aktiver Teilnahme à la Fragerunde nach einem Vortrag, hat gewiss ihre Daseinsberechtigung und ihr Alleinstellungsmerkmal auf dem Social-Media-Markt. Die Freiwilligkeit der Teilnahme ist ein gelungener Aspekt, der Wertigkeit und Bedeutung der Diskurse den nötigen Schliff zu verpassen.


Je nach Themenfeld und Format ist die Wahl der Diskussionspartner an VIP-Status nicht zu übertreffen, mit der Folge: Man hört gerne zu, stellt gerne Fragen, wird gerne mal Teil einer Diskussion. Vor allem gibt es, besonders jetzt, keine bessere Möglichkeit, um möglichst viele Stimmen in kurzer Zeit zu einem Thema zu hören. Und vermeintliche Experten hin oder her: Auch wenn man manchmal nicht jede Stimme für voll nimmt, erweitern Worte von außen doch beinah immer den eigenen Horizont. Und genau das sollte das Ziel sein: die Erweiterung unser aller Horizonte.


So, jetzt aber weg vom Laptop! Bildschirm zuklappen. Mein iPhone lächelt mich schon an. Ich glaube, ich begebe mich jetzt ins Clubhouse. Kopfhörer rein, Ralph-Lauren Cap auf und ich genieße mein Privileg mit den Reichen, Einflussreichen und Schönen über das zu diskutieren, was alle betrifft, nur ohne, dass alle daran teilhaben können (und verteile virtuelle Visitenkarten).


Liebe Grüße, Euer Clubhouse-Experte


P.S.: Hütet Euch vor meinen LinkedIn-Anfragen.

P.P.S.: Wer jetzt noch nicht genug hat, der möge sich mein Interview zu Clubhouse zu Gemüte führen. Auch hier im Blog.

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