Informelle Sprachcodes mit großer Wirkung
Wenn Journalisten mit Politikern, Behörden, Organisationen oder auch Unternehmern sprechen, sollte vorab klar sein, ob und wofür die gewonnenen Informationen verwendet werden dürfen. Denn nicht jeder Gesprächspartner möchte namentlich mit seiner Einschätzung zu einem Thema zitiert werden.
Gerade im politischen Umfeld hat sich daher eine Regel etabliert, die drei Codes unterscheidet: „unter eins“, „unter zwei“ und „unter drei“. Diese Übereinkunft steht sogar in der Satzung der Bundespressekonferenz. Auch im Pressekodex heißt es: „Die vereinbarte Vertraulichkeit ist grundsätzlich zu wahren“. Doch was meint die Regel ganz konkret?
Informationen unter eins sind zur beliebigen Verwendung. Der Urheber darf wörtlich zitiert werden unter Angabe seines Namens.
Informationen unter zwei dürfen zwar wiedergegeben, aber nicht direkt zitiert werden. Der Zitatgeber darf nicht genannt werden.
Informationen unter drei gelten als vertraulich und dienen lediglich dem Hintergrundwissen oder Anstoß für weitere Recherchen. Die Information darf weder zitiert noch darf der Urheber genannt werden. Solche Aussagen bezeichnet man auch als „off the record“.
Wenn der Zitatgeber keine Kategorie vorgibt, gilt das Material als beliebig verwertbar. Die meisten Journalisten halten sich an diese informelle Regelung, denn ihnen ist bewusst, dass sie sonst möglicherweise keine Informationen mehr erhalten würden. Und dennoch handelt es sich um eine Vereinbarung auf Vertrauensbasis ohne Rechtsanspruch.
Gentlemen’s Agreement
So sprach beispielsweise die Bundespressekonferenz dem Magazin SPIEGEL vor einigen Jahren eine Rüge wegen eines Verstoßes gegen die Vertraulichkeitsregel aus. Ein Vorwurf, den der SPIEGEL vehement zurückwies. Hintergrund war eine Aussage zum Besuch des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes in der Bundespressekonferenz.
Die Regel „unter drei“ ist aber längst nicht unumstritten. Gerade im Verhältnis zwischen Politik und Presse wird immer wieder Kritik an Transparenz, Gleichbehandlung und exklusiven Verbindungen laut. So titelte die taz im Oktober 2017: „Einer kämpft gegen ‚Unter drei‘“. Gemeint war Jost Müller-Neuhof vom Berliner Tagesspiegel, der gegen den BND und im Jahr zuvor gegen das Bundeskanzleramt geklagt hatte, um Informationen über Hintergrundgespräche mit Journalisten zu erhalten.
Briefing immer sinnvoll
Was kann man daraus lernen? Wir empfehlen unseren Kunden, sich auf das zu besinnen, was sie wirklich veröffentlichen möchten. Wenn Hintergrundgespräche „unter drei“ geführt werden, sollte dies schon vorab mit dem Journalisten besprochen werden. Zudem sollte bedacht werden, dass immer das Risiko besteht, dass vertrauliche Informationen doch an die Öffentlichkeit gelangen.
Egal, ob ein Gespräch „unter eins“, „unter zwei“ oder „unter drei“ stattfindet: Eine solide Vorbereitung von möglichen Fragen und Antworten ist essentiell. Deshalb ist ein Briefing des Interviewten immer sinnvoll, genauso wie eine Begleitung des Termins durch einen PR-Berater. Dieser kann vorab mit dem Journalisten Themengebiete abstecken und bei Bedarf auch eingreifen. Oft haben wir schon erlebt, dass insbesondere unerfahrene Gesprächspartner im Interview deutlich mehr Informationen preisgeben, als sie eigentlich geplant hatten.
Und noch ein Tipp: Auch nach einem Interview, einem Pressegespräch oder einer Pressekonferenz sollten keine vertraulichen Informationen im gleichen Raum ausgetauscht werden. Oft ist es üblich, dass Teilnehmer einer Pressekonferenz über ihre Eindrücke im Debriefing noch vor Ort sprechen. Davon rate ich ab, denn ich habe es schon selbst erlebt, dass ein Journalist sein Aufnahmegerät im Raum vergessen hatte – und das nahm fleißig auch nach der Pressekonferenz interne Gespräche weiter auf.
Comments