Interviews gehören für Manager, Führungskräfte und Politiker zur Öffentlichkeitsarbeit wie beispielsweise ein robuster Hammer in die gut sortierte Werkzeugkiste; aber Vorsicht: Der Umgang mit Werkzeugen aller Art will gelernt sein. Wer sich auf Interviews oder aufs Heimwerken schlecht oder gar nicht vorbereitet, läuft Gefahr, eine Strom- oder Wasserleitung zu treffen. Im schlimmsten Fall steht man plötzlich im Dunkeln oder knietief im Wasser. Die Schäden sind in der Regel immens und können nur mit professioneller Hilfe beseitigt werden – so weit, so schlecht.
Trotz des entstandenen Schadens gehen wir davon aus, dass uns in beiden Fällen schnell geholfen wird – der alarmierte Handwerker-Notdienst repariert den von uns selbst verursachten Schaden und der PR-Profi kümmert sich rechtzeitig vor der Veröffentlichung fachmännisch um das verkorkste Interview. So weit, so gut – wir erhalten demnach eine zweite Chance – Glück gehabt!
Die PR-Abteilung bekommt in diesem Fall das Interview des Chefs noch mal auf den Schreibtisch. In der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit heißt das Zauberwort für diese zweite Chance: Autorisierung für in Schriftform erscheinende Interviews.
Authentisch statt glattgezogen
Wozu dient dieser durchaus berechtige und allgemein praktizierte (Zwischen-)Schritt? Das Autorisieren stellt sicher, dass z. B. Zahlen, Daten, Fakten, Personen und Berufsbezeichnung richtig benannt sind. Für alles andere im Text zählt jedoch: Es gilt das gesprochene oder geschriebene Wort.
Du solltest dich aber nicht auf diese zweite Chance verlassen, denn von PR-Profis umgeschriebene Interviews landen nicht selten im Papierkorb.
Warum? Weil sie bei der Autorisierung zu stark in den Text eingegriffen und dabei vormals gemachte Aussagen glattgebügelt oder sogar zurückgenommen haben. Für den Journalisten wirkt es dann nicht mehr authentisch, im schlimmsten Fall sogar unglaubwürdig.
Ist der Big Boss des Unternehmens zu naiv oder unvorbereitet in das Interview gegangen, schrillen spätestens beim Gegenlesen in der PR-Abteilung oder PR-Agentur die Alarmglocken. Jetzt fallen Sätze wie: „Das hätte der Chef so nicht sagen sollen“ oder „Das Gesagte zerstört unsere neue Marketingkampagne“. Jetzt ist der Handwerker-Notdienst gefragt. Das Interview wird komplett oder in Teilen von der Presseabteilung umgeschrieben. Das Ergebnis: Ärger und Vertrauensverlust beim Journalisten und bei allen weiteren Beteiligten.
Glaubst du nicht? Ich habe vor Jahren ein spontanes Interview begleiten dürfen. Als sich der CEO vom Journalisten verabschiedete, fiel der auch für mich überraschende Satz: „Mein PR-Profi liest dann das Interview später noch mal durch, zieht meine Formulierungen glatt und gibt Ihnen das Interview frei.“ Diesen „Strom- und Wasserschaden“ konnten wir gegenüber dem Journalisten nur mit großer Mühe beheben.
Für den Redakteur stellt das Gegenlesen durch die Presseabteilung eine freundliche Geste gegenüber dem Interviewten dar, ist aber kein Pflichtprogramm.
In Deutschland hat nun zum ersten Mal ein großes Boulevardblatt den komfortablen Service, Interviews vor der Veröffentlichung autorisieren zu lassen, aus Gründen der Glaubwürdigkeit abgeschafft. Für den verzweifelten Pressesprecher heißt es nun: Was der Chef gesagt hat, ist gesagt und bleibt bestehen.
Vorbereitung statt Brandbekämpfung
Meine Zauberformel für ein gelungenes Interview – und das gilt für beide Seiten: Sei stets freundlich, respektvoll und, am wichtigsten, sei gut vorbereitet! Es liegt in der Natur der Sache, dass ein guter Journalist mehr „Futter“ braucht als das zum Teil angebotene „luftleere PR-Blabla“. Im Gegenzug sollte sich der Journalist im Klaren sein, dass er nicht immer die exklusiven, streng geheimen Firmen-News erhält.
Hier ein paar kurzgefasste Dos and Don’ts für Chefs und PRler gleichermaßen. Mit den folgenden sechs wichtigsten Regeln vermeidest du „Strom- und Wasserschäden“ im Umgang mit Journalisten:
Sprich die Themenbereiche mit dem Journalisten im Vorfeld ab. So können beide Parteien (PR und Journalist) entscheiden, ob ein Interview unter diesen Bedingungen überhaupt Sinn macht. Du solltest auch unmissverständlich klar machen, über welche Themen du nicht sprechen möchtest. So vermeidest du Missverständnisse, Enttäuschungen und negative Emotionen.
Wie heißt es bereits in der Bibel: Du sollst nicht lügen. Bereits eine einzige aufgedeckte Lüge kann deine mühsam erarbeitete Reputation in wenigen Sekunden nachhaltig gefährden. Du weißt nicht, was der Journalist über dich, dein Unternehmen oder Produkt schon weiß.
Erkläre einem Journalisten nicht seine Arbeit, egal welche Erfahrung du mit Journalisten gemacht hast. Ein guter Journalist weiß, was er darf und was nicht. Überzeuge ihn lieber mit einer guten Geschichte und mit interessanten beziehungsweise relevanten Fakten.
Vertusche keine angesprochenen Missstände. Schon Jean-Paul Sartre wusste: Die schlimmsten Fehler werden in der Absicht gemacht, einen begangenen Fehler wieder gutzumachen.
Geh' niemals unvorbereitet in ein Interview. Frage dich, ob du der/die richtige oder glaubwürdigste Ansprechpartner:in für dieses Thema bist. Hast du alle Informationen zusammen? Nur so kannst du auf Nachfragen kompetent und direkt reagieren.
Reize das Angebot des Journalisten, das Interview vor der Veröffentlichung noch einmal gegenlesen zu dürfen, nicht bis zum Letzten aus. Beschränke deine Eingriffe auf die Korrekturen fachlicher und sachlicher Fehler. Finger weg von den übrigen Formulierungen des Journalisten.
Ein weiterer (Geheim-)Tipp aus meiner jahrelangen PR-Arbeit: Das Größenverhältnis vom tatsächlichen Interview zur Vorbereitung auf ein Interview entspricht im Durchschnitt dem einer Briefmarke (Interview) zu einem DIN-A5-Blatt (Vorbereitung). Denke immer daran: Vorbereitung schafft Selbstvertrauen und drückt Wertschätzung gegenüber dem Journalisten aus. Auch ein Medientraining kann bei der Vorbereitung helfen.
Ich wünsche dir erfolgreiche Interviews!
Du möchtest wissen, wie du dich am besten auf ein Interview vorbereitest? Du hast einen Interviewtermin und möchtest dich vorab von einem Profi schulen lassen? Du hast ein Interview gegeben und möchtest mit einem Experten analysieren, wie es gelaufen ist? Christian Liepack, Geschäftsführer der PR Agentur "Medienbüro am Reichstag", bietet Schulungen und Workshops an - nicht nur zum Thema Interviews. Unverbindliche Anfragen an: christian.liepack@mar-berlin.de
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