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Shit happens - Kühler Kopf in der Krise



Ein Bus rast in eine Menschenmenge, ein Flugzeug stürzt ab oder ein Computervirus greift den Firmen-Server an: Immer wieder werden Unternehmen mit unvorhergesehenen Ereignissen konfrontiert, die sie vor kommunikative Herausforderungen stellen. Was ist eine Krise, wie kann man sich darauf vorbereiten und was tun, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist? Astrid Unverricht sprach mit André Spangenberg, seit 2013 Leiter des Deutschen Zentrums für Krisenkommunikation MAR24. Als ehemaliger Korrespondent für die Nachrichtenagenturen ddp und dapd hat er jahrzehntelang selbst über Krisen berichtet und weiß, was im Krisenfall gefragt ist.


Wer eine Krise kommunikativ begleiten möchte, muss sie zunächst einmal als solche erkennen. Wann ist ein Ereignis ein Krisenfall?

„Manchmal sind es die kleinen Dinge, die jenseits großer Schadensereignisse die Reputation zerstören können. Daher sollte gelten: Alle Ereignisse, die betriebliche Abläufe in deutlicher Weise stören oder die das Potenzial haben, den Ruf eines Unternehmens zu gefährden, sind als Krisenfall oder als potenzieller Krisenfall einzustufen. Kurzum: Das sollte für jeden Vorfall gelten, der ein unvorhergesehenes, größeres öffentliches Interesse erzeugt oder erzeugen kann. Denn darauf muss rasch und angemessen reagiert werden.“


Allerdings sind Krisen von Natur aus unvorhersehbare Ereignisse und können sehr unterschiedlich sein...

„Richtig, jede Krise ist anders. Zugleich folgen in der heutigen stark medial geprägten Zeit Krisen und Notfälle einem einheitlichen Schema: Kurzes, starkes Aufflackern des öffentlichen Interesses und dann – je nach Krisenart – ein schrittweises Abflachen der medialen Kurve. Diese Abwärtsbewegung, die von jedem betroffenen Unternehmen gewünscht ist, kann umso stärker ausfallen, je klarer auf den Vorfall reagiert wird.“

Wie kann sich ein Unternehmen auf eine Krise vorbereiten, um professionell reagieren zu können?

„Dafür ist es enorm wichtig, schon weit vor einer Krise Handlungsanweisungen, Notfallnummern, Ansprechpartner und vieles mehr festzulegen und das auch innerhalb des Unternehmens bekannt zu machen. Das fängt beim Pförtner an und geht bis zum CEO. Geklärt werden sollte auch, wer im Krisenfall den Medien Rede und Antwort stehen soll. Nach unseren Erfahrungen ist neben dem Interviewtraining auch eine Ernstfall-Simulationen sehr hilfreich, in der das Zusammenspiel aller intern Beteiligten geübt wird. Da zeigt sich schnell, ob eine gewählte Strategie auch wirklich aufgeht.“


Augen zu und durch? In der Krise keine gute Wahl!

Was ist im Krisenfall die bessere Strategie – in Deckung gehen und schweigen, oder völlige Offenheit und Transparenz?

„Das ist die Frage nach dem Unterschied zwischen Krisen-PR und Krisenkommunikation. In den vergangenen Jahrzehnten ist oft das Abducken und Abwarten als die beste PR-Strategie bezeichnet worden, die sich in vielen Fällen auch bewährt hat. Aber mit der immer stärkeren Vernetzung der Menschen, die immer auch Marktteilnehmer und Kunden sind, ist es vernünftig, der Offenheit den Vorzug zu geben. Es kommt doch in der Regel so oder so raus. Und dann stellt sich die Öffentlichkeit die Frage, ob und warum sie möglicherweise belogen wurde. Die Menschen wissen, dass es hundertprozentige Sicherheit nirgends gibt. Aber zugleich gehen sie davon aus: Wer nichts sagt, der hat etwas zu verbergen.“


Inwiefern hat sich die Krisenkommunikation in den letzten zehn Jahren durch die zunehmende Bedeutung von Social Media verändert?

„Neue Medien werden heute immer mehr als die ‚fünfte Macht‘ wahrgenommen. Damit verlieren klassische Medien ihre Torwächter-Funktion. Das ist einerseits gut, weil das Unternehmen in einem Krisenfall direkt mit dem Kunden kommunizieren kann. Anderseits schafft es neue Spielregeln. Die Wichtigste davon lautet: Nichts zu sagen geht in einem Krisenfall überhaupt nicht mehr. Und kurz darauf kommt schon die zweite Regel: Im Krisenfall übernimmt der Krisenmanager die Führung, und nicht das Marketing.“


Wie schnell sollte ein Unternehmen im Ernstfall kommunizieren können?

„Das hängt von der Schwere der Krise ab. Aber je größer ein Problem ist, desto schneller sollte reagiert werden. Eine alte Regel besagt doch: Wer nicht selbst berichtet, über den wird berichtet. Das sollten Kommunikationsverantwortliche und Krisenmanager beherzigen. Selbst wenn am Anfang nur gesagt werden kann, dass man den Vorfall angenommen hat und die Untersuchungen laufen. Damit bleibt die unmittelbare Kommunikation erhalten und das sichert eine mediale Glaubwürdigkeit auch für die kommende Zeit.“


Gutes Krisenmanagement umfasst eine umfangreiche Vorbereitung und hohe Reaktivität.

Was ist für Dich ein Beispiel für eine gelungene Krisenkommunikation?

„Erinnern wir uns an den Dezember 2016, als der Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidtplatz ein bislang völlig unbekanntes Transportunternehmen plötzlich ins mediale Rampenlicht rückte. Der Eigentümer reagierte sofort und erklärte die Sachlage für jeden TV-Zuschauer und Zuhörer nachvollziehbar. Der Fokus richtete sich somit unmittelbar auf den Attentäter, also auf den wirklichen Verursacher. Ähnliches hat die Lufthansa nach dem Absturz der Germanwings-Maschine gemacht. Das ist ein klassisches Beispiel von gelungener, weil rascher, nachhaltiger und überzeugender Krisenkommunikation.“


Was empfiehlst Du Unternehmen nach einer Krise, um ihre Marke vor weiterem Reputationsverlust zu schützen?

„Viele Experten sagen, man sollte nach einer großen Krise nur gute Nachrichten verbreiten. Dem Ratschlag würde ich nur bedingt folgen. Genauso wichtig ist es aus meiner Sicht, zu zeigen, wie das Unternehmen konkret mit diesem Vorfall umgegangen ist und welche Lehren daraus gezogen wurden. Schließlich – und das ist der Bruch, den die Social-Media-Nutzung gebracht hat – treten die Unternehmen heute nicht mehr allein als Rechtspersönlichkeiten auf, sondern werden immer stärker als Person wahrgenommen. Diesen medialen Bruch auch in einer Krise auszuhalten, das ist die neue Tugend der Kommunikation."




Du möchtest wissen, ob Dein Unternehmen krisenfest ist? Hier findest Du einen ersten Risikotest.

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